Maßgebliche Rechtsgrundlage für den Abschluss von Tarifverträgen ist Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz und das Tarifvertragsgesetz (TVG). Im TVG werden die Tarifvertragsparteien (und damit die Tariffähigkeit) definiert und die Voraussetzungen und Wirkungen des Tarifvertrages festgelegt. Der Begriff des Branchentarifvertrags taucht im TVG nicht auf, es handelt sich nicht um einen Rechtsbegriff. Vielmehr beschreibt er die typische Konstellation des Abschlusses eines Tarifvertrages durch einen Arbeitgeberverband und eine Gewerkschaft für eine ganze Branche.
Für Arbeitgeber im Geltungsbereich eines Branchentarifvertrages kann sich die Frage stellen, inwieweit sie sich der Geltung eines bereits in Kraft befindlichen Branchentarifvertrages durch Austritt aus einem Arbeitgeberverband oder dem Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft (also einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung – sofern die Satzung des Arbeitgeberverbandes dies vorsieht) entziehen können. Dies wird durch § 3 Abs. 3 TVG (Nachbindung) insofern verneint, als der Tarifvertrag auch für den austretenden Arbeitgeber bindend bleibt, bis er durch Zeitablauf, materielle Änderung oder Kündigung tatsächlich endet (vgl. auch Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 1. Juli 2009, 4 AZR 261/08). Ein einzelner Arbeitgeber soll sich, so das BAG, nicht durch einseitige Entscheidung seinen tariflichen Pflichten entziehen können. Einen unzulässigen Eingriff in die Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz durch diese Vorschrift oder eine Auslegung im dargestellten Sinne hat das BAG verneint. Bis zu diesem Urteil war umstritten, wann eine Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG angenommen werden kann.
Von der Nachbindung ist die Nachwirkung des Tarifvertrages nach § 4 Abs. 5 TVG zu unterscheiden, die sich an dessen Beendigung anschließen kann. Sofern die Tarifvertragsparteien nichts Abweichendes vereinbart haben, wirkt der Tarifvertrag nach dieser Vorschrift so lange nach, bis eine andere Abmachung getroffen wurde. Technisch werden die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die etwa Arbeitsbedingungen festlegen, mit Beendigung Inhalt der Einzelarbeitsverträge der Arbeitnehmer, allerdings nur derjenigen, die bei Beendigung des Tarifvertrages bereits beschäftigt waren (st.Rspr. des BAG, vgl. BAG Urteil vom 5. August 2009, 10 AZR 1006/08 m.w.N.). Die Änderung der Nachwirkung ist nur durch einen neuen Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder die Änderung des Einzelarbeitsvertrages (bis hin zur Änderungskündigung) möglich.
Von der Nachbindung und Nachwirkung ist die Fortgeltung von Tarifverträgen im Fall eines Betriebsübergangs zu unterscheiden, die nicht aus dem TVG, sondern aus § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB resultiert und den Erwerber (sofern nicht ein anderer Tarifvertrag anwendbar ist) an die tarifvertraglich festgelegten Rechte und Pflichten bindet, indem diese Inhalt des Einzelarbeitsverhältnisses werden. Erst nach einem Jahr nach dem Übergang kann zum Nachteil des Arbeitnehmers eine Änderung erfolgen.
Im Jahr 2010 hat das BAG den von ihm bisher über Jahrzehnte geprägten Grundsatz der Tarifeinheit aufgegeben. Dieser Grundsatz besagte, dass in einem Betrieb immer nur ein Tarifvertrag Anwendung findet, auch wenn der Arbeitgeber mit mehreren Gewerkschaften Tarifverträge abgeschlossen hat und er damit mehrfach tarifgebunden ist. Bisher wurde die Frage, welcher Tarifvertrag auf welches Arbeitsverhältnis im Betrieb anzuwenden ist, nach dem Prinzip der Tarifeinheit aufgelöst, d. h., dass nur ein Tarifvertrag (in der Regel der speziellste) für den gesamten Betrieb gelten könne. Nunmehr können in einem Betrieb für verschiedene Arbeitsverhältnisse unterschiedliche Tarifverträge gelten, wenn der Arbeitgeber mehrfach tarifgebunden ist. Dann gilt je nach Gewerkschaftsmitgliedschaft des jeweiligen Arbeitnehmers der insoweit bindende Tarifvertrag. Durch diese Änderung der Rechtsprechung kann es dazu kommen, dass die Klarheit und Einheitlichkeit, die in einem Wirtschaftszweig durch einen Branchentarifvertrag gewährleistet werden konnte, durch die Tarifpluralität aufgebrochen wird. Es können mehrere „Branchen“-Tarifverträge in ein und demselben Betrieb anwendbar sein, wenn der Arbeitgeber mehrfach tarifgebunden ist. Ebenso können sich Firmen- oder allgemeinverbindliche Tarifverträge neben bestehenden Branchentarifverträgen auf die Beschäftigungs- und Tarifstruktur in einem Unternehmen nebeneinander auswirken. Von Arbeitgeberseite wird dabei kritisch gesehen, dass Spartengewerkschaften, deren Mitglieder besonders betriebswichtige Positionen in Unternehmen einer Branche ausfüllen, dies in zu starkem Maße ausnutzen könnten, um Partikularinteressen durchzusetzen und damit den Betriebsfrieden und die Verlässlichkeit des Tarifsystems für die Unternehmen einer solchen Branche gefährden.