Nutznießerfinanzierung
Unter Nutznießer- oder Drittnutzerfinanzierung versteht man das Abschöpfen eines ökonomischen Nutzens, den Dritte, zum Beispiel der Handel, Arbeitgeber oder Immobilienbesitzer, aufgrund vorhandener Infrastruktur erzielen. Demnach wäre in Gebieten, die neu zu erschließen oder bereits durch Bahnen und Busse erschlossen sind, das Erheben eines Beitrags für die ÖPNV-Erschließung denkbar.
Der Beitrag könnte den Bau, Unterhalt und Betrieb der Verkehrsinfrastruktur ermöglichen. Die Höhe des Nutzens der vorhandenen ÖPNV-Erschließung ist bei den Dritten allerdings sehr individuell. ÖPNV-Erschließung unterscheidet sich von anderen beitragspflichtigen Abgaben und wird nicht von jedem Gewerbetreibenden oder Grundstückseigentümer als Nutzen wahrgenommen.
In Deutschland gibt es bereits einige erfolgreiche Beispiele für freiwillige Übereinkünfte zwischen Verkehrsunternehmen und großen Nutznießern. Als Praxisbeispiele sind die Beteiligung an den Infrastrukturkosten der Stadtbahn bei der Erschließung eines Gewerbegebiets in Köln-Ossendorf, verschiedene Betriebskostenbeteiligungen im Gebiet des Hamburger Verkehrsverbunds oder (vollständig) durch Arbeitgeber finanzierte Jobtickets zu nennen.
Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesverkehrsministerium empfiehlt, dass Nutznießerbeiträge vorrangig als Zusatzfinanzierung verwendet und eher vorsichtig bemessen werden sollten. In der Einführungsphase sollten Beiträge für Verkehrsinfrastruktur erhoben werden, die dem Gebiet eindeutig zuzuordnen ist, relativ geringe Kosten verursacht und eine objektive Verbesserung darstellt, zum Beispiel neue Haltestellen. Bislang gibt es in Deutschland nur wenig Erfahrungen und Standards zur Bemessung von Nutznießerbei-trägen. In jedem Fall sollte dabei das veränderliche ÖPNV-Angebot (Netz, Takt, Qualität) Berücksichtigung finden und eine differenzierte Bewertung des Beitrags hinsichtlich seiner Lenkungswirkung erfolgen. Demnach wäre eine Verkehrserzeugungsabgabe für verkehrlich nicht oder schlecht erschlossene Gebiete sinnvoll. Diese hätte den Lenkungseffekt, sich in bereits gut erschlossenen Gebieten mit geringem Verkehrsaufwand anzusiedeln. Bei hohen ÖPNV-Erschließungsbeiträgen in bereits erschlossenen Gebieten drohen unerwünschte Lenkungseffekte, wie Standortwechsel in preisgünstige Regionen. Der Ansatz der Nutznießerfinanzierung bietet mittel- bis langfristig erhebliches Potenzial, um zweckgebundene Mittel für den Verkehrsbereich zu generieren.
Weiterführende Literatur
Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Verkehrsfinanzierungsreform – Integration des kommunalen Verkehrs, Juli 2013.
Technische Universität Darmstadt: Drittnutzerfinanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs, Darmstadt, Mai 2012.